Ich wurde interviewt. Eine Bekannte schrieb eine Semesterarbeit zum Thema New Work. Und da sie durch mich auf dieses Thema gestoßen ist, bat sie mich um ein Interview. Das schöne an dem beantworten der Interview-Fragen war die Leichtigkeit und die Stimmung, die ich beim Schreiben hatte, die mich umgab. Fäden verknüpften sich. Dinge wurden klar. Das ist das schöne bei solchen Gelegenheiten, wenn jemand mit Fragen auf dich zukommt: Du selbst würdest dir diese Fragen so nie stellen. Formulierst Antworten immer in anderen Kontexten. Stellst dir selbst andere Fragen.
Das Interview zum Thema New Work
Autorin*: Frau Schobeß, was verbindet Sie mit NewWork?
Gabriele Schobeß: Ich habe erst in der zweiten Lebenshälfte erkannt, warum ich in klassischen Organisationen stets an meine Grenzen gestoßen bin. Mangelnde Kompetenzen oder Skills waren hier nie der Fall. Im Gegenteil. Ich habe mich oft schnell in neue Themen eingearbeitet, da ich hauptsächlich im Online-Bereich tätig bin, ist das eigentlich eine Grundanforderung, die mitgebracht werden muss, da sich die Online-Welt kurz mal von heute auf morgen dreht und alle Bedingungen neu gesetzt sind, wie beispielsweise gerade zu beobachten bei Twitter: durch die Übernahme von Elon Musk hat sich alles geändert und ein bis dato relevanter Kanal verliert an Bedeutung.
Die Grenzen in klassisch organisierte Organisation heißen aber: Stellenbeschreibung, Hierarchie, internes Geklüngel, keine Diversität, vorgegebene Lernpfade, nur bis zu einem gewissen Alter hast du Anspruch darauf, bei durchaus schlechten, veralteten Weiterbildungs-Angeboten, starre Strukturen und keine Geschwindigkeit bei dringend erforderlichen Neuausrichtungen.
Die Aufzählungen könnte ich endlos fortführen. Meine letzten Erfahrungen in einer solchen Organisation liegen mit 2016 noch gar nicht so weit zurück. Talente und als ein solches sehe ich mich zwischenzeitlich, werden in diesen Organisationen verbrannt und verlieren die Lust ihre Innovationskraft anzubieten und einzubringen.
Verschenkte Chancen und Gelegenheiten! Als ich das erste Mal von New Work hörte, hüpfte mein Herz vor Freude. Ich konnte plötzlich da draußen andere Menschen und Organisationen entdecken, die sich auf den Weg machen und mit alten Mustern, Rollen, Prozessen und Strukturen brechen und neu denken. Zum Wohle der Menschen die darin arbeiten, des Gemeinwohls und der gesamten Umwelt, bis hin zu neuen Sichtweisen auf den globalen Norden und den globalen Süden.
Autorin: Sie beraten und begleiten seit vielen Jahren Organisationen und Teams in ihrer Entwicklung. Was können Sie beobachten? Wo geht die Reise hin?
Gabriele Schobeß: Ich beobachte, dass nur noch Organisationen, die sich glaubhaft auf den Weg gemacht haben, bestimmte Talente für sich gewinnen können. Ein Tischkicker und ein Obstkorb, 1-2 Workshops reichen nicht aus. Es sind tiefgreifende strukturelle Veränderungen, die in einer Organisation vorgenommen werden müssen und sie enden nie.
Diesen Mut muss ein Unternehmen erst einmal aufbringen, sich dem zu stellen. Je nach Organisationsform ist das auch gar nicht einfach. Ich betone dabei auch nochmal: sie enden nie. Mit ein paar Workshops ist es einfach nicht mehr getan.
Für viele Bestehende, wird der Änderungsprozess auch zu spät kommen. Wir entwickeln uns hin zu Wissensarbeitenden. Aber hoppla. Jetzt kommt Chat GPT daher. Was bedeutet das jetzt für unsere Reise? Sie sehen. Die Veränderung ist komplex. Und genau das ist es, was eine Organisation resilient macht: Die Komplexität der Dinge zu verstehen und schnell auf einzelne Events reagieren können. Wer das nicht verstanden hat, wird untergehen. Sag ich jetzt einfach mal.
Autorin: Die Soziale Arbeit hat in ihrer Praxisanwendung Parallelen zu der Haltung von New Work. Um welche zu nennen: Selbstbefähigung, Selbstverantwortung, flache Hierarchie, beziehungsweise Kommunikation auf Augenhöhe, den Adressaten zur Ganzheit befähigen, und vieles mehr. Widersprüchlich hierbei ist, dass in Organisationen und freien Trägern die Strukturen konventionell und konservativ aufgestellt sind. Die Argumentation hierfür ist oftmals die Gleiche: Fehlende Ressourcen, knappe finanzielle Budgets und im letzteren führt die Argumentation zur Politik. Demnach ein „Endloskreislauf“, den keiner durchbrechen mag, so scheint es. Welcher Gedanke kommt Ihnen, wenn Sie von solchen Dilemmata hören?
Gabriele Schobeß: Die Praxisanwendung hat hier leider in den meisten Fällen nichts mit der Struktur innerhalb der Organisation zu tun. Ich habe bisher von wenig Trägern gehört, die diese Grundprinzipien von Selbstverantwortung und Selbstbefähigung auch tatsächlich leben.
Selbstorganisierte Teams können durchaus auch knappe Ressourcen handhaben und für sich organisieren. Es braucht eben die Befähigung durch die entsprechend verantwortlichen Personen vor Ort.
Und auch die Politik ist gefragt, indem sie passende Rahmenbedingungen bietet, auch durch eine Digitalisierung, die die Gesellschaft befähigt selbstbestimmt Dinge zu erledigen, die bei uns noch bürokratischen Vorort-Aufwand bedeuten. So könnten Ressourcen frei gemacht werden, um auf Bedarfe der Gemeinschaft zu reagieren und den öffentlichen Raum neu zu gestalten.
Autorin: Gibt es zwischen Ihrer Person und Ihrer beruflichen Identität noch einen Unterschied, genauer erklärt, leben Sie verschiedene Rollen? Damit beziehe ich mich auf Ihre drei Hashtags auf Ihrer Website: #digitallife #lifelonglearning #wanderwomen (https://www.schobess.de/)
Gabriele Schobeß: Es verschwimmt tatsächlich immer mehr. Beispiel: der Wald ist zu meinem Dritten Ort geworden, in dem ich nachdenke, Konzepte erarbeite und E-Mails oder Texte vorformuliere. Ich engagiere mich in vielen digitalen Projekten ehrenamtlich und lerne dadurch jeden Tag neues dazu.
Ist das schlimm? Nein. Es ist meine Leidenschaft. Und ich darf diese endlich mal so richtig ausleben. Seit ich nicht mehr in eine Organisation gepresst bin, habe ich eine Lernkurve hingelegt, der Mount-Everest ist nichts dagegen. Und ich lebe New Work im Sinne von Frithjof Bergman. Neben meiner Arbeit und neben meinem Lernen, kann ich mich individuell auf Bedarfe um mich herum einstellen. Indem ich die Care-Arbeit für meine Eltern nicht an Dritte übertrage, sondern gerne selbst mache. Oder mir eine Woche Auszeit zum Nachdenken nehme, an irgendeinem Konzept arbeite, nachdenke.
Ich habe die Zeit dafür und kann es mir einteilen. Das wäre bei einer klassischen 40 Stunden-Woche undenkbar, abgesehen davon das ein 8-Stunden Tag die Menschen aussaugt. Verdienen tu ich dabei als Selbständige übrigens zwischenzeitlich fast so gut, wie als Angestellte.
Die Kunden, für die ich arbeite, schätzen meine Professionalität, meine Flexibilität und meinen Ideenreichtum und auch dass ich offen innerhalb des Projektes reagiere, wenn ich denke es geht in eine falsche Richtung. Ich suche mir auch gezielt Kunden aus, mit denen es passt und die meine persönlichen Bedarfe hinsichtlich Arbeiten auf Augenhöhe, Flexibilität kennen und für sich selbst auch in Anspruch nehmen. Vor allem bei Kreativleistungen genieße ich die Möglichkeit das Momentum zu nutzen. So wie ich diesen Freitagnachmittag genutzt habe, da ich gemerkt habe der Text geht mir jetzt leicht von der Hand.
Autorin: Vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit.
*Die Autorin arbeitet bei einem öffentlichen Träger.
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