Das Spiegelbild

Das Spiegelbild

July 17, 2017

Last Night I dreamed I went to Gimmeldingen again – the almond-trees bloomed and in the distance I recognized the winding streets with the beautiful houses.”

Was für ein poetischer Einstieg, gell meine Lieben? Als ich gestern die Straße aus Gimmeldingen herausfuhr, sprang dieser Satz (in Anlehnung an Schloß Manderly) in meinem Kopf und ließ mich nicht mehr los. War doch schon beim Abschied ein kleines Kernchen gesät: Der Wunsch die Straße in die andere Richtung zu fahren und wieder anzukommen.

Was nehme ich mit? Ich habe zwei wunderbare Tage mit wunderbaren Frauen verbracht. Nun sitze ich zuhause, bekomme mich gerade nicht wieder auf die Bahn und habe deswegen beschlossen nun einfach mal mit Schreiben anzufangen. Anlass für diesen Blog-Eintrag ist das Sommerfest und der Workshop-Tag der EIGENSTIMMIG Gründerinnen Julia und Sarah. Die beiden haben es geschafft, Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Lebensphasen zusammenzubringen. Auf eine fast schon bezaubernde, magische Art. Sehr toll beschrieben von Petra die unter „allerlei-themen“ (die Website ist leider nicht mehr online) blogt. Das kann man nicht besser beschreiben. Um zu verstehen was ich meine, schicke ich euch frohen Herzens zu Petra. Den Link zu ihrem Blog findet ihr am Ende des Textes.

Beim Frühstück entstanden, kurz mit Carina angerissen und jetzt nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen: die Arbeitslebensphasen in denen wir so stecken, bzw. die ich nun rückblickend auf meine 30 Jahre Berufsleben identifizieren kann. Wer war ich und wo stehe ich jetzt? Vielleicht sind es auch nur meine Phasen?

Vor kurzem traf ich die Lehrerin, die mich und meine Freundinnen während der Pupertät begleitete. Sie beschrieb mir, wie oft sie sich für uns einsetzte und Strafen abwendete, da unser Schulrektor mit uns nicht umgehen konnte. „Ihr hattet so oft recht mit dem was ihr eingefordert habt und es tat mir so leid mit anzusehen, dass ihr so leiden und gegen eine starre Haltung aus den 50er Jahren ankämpfen musstet.“. Wir waren Revoluzzer und wir haben uns gewehrt. Voller Trotz und Wut über die vielen Ungerechtigkeiten. Der Schulleiter verpasste uns das Label „Mädchen-Mafia“ und so kann ich voller Stolz von mir behaupten, Teil einer der ersten Mädchen-Gangs einer Kleinstadt gewesen zu sein.

Warum ist das wichtig? Wir waren 14/15/16 und haben aus voller Überzeugung gehandelt. Gegen schlechte Lehrer, ungerechte Noten und und und. Es ist mir aber wichtig, da auch heute noch dieser Trotz und diese Wut bei Ungerechtigkeit – ob sie nun mir oder jemanden anderem widerfährt – in mir ist und ich auch leider feststellen muss, dass sich in vielen Bereichen nichts geändert hat. Wir alle, haben diesen Trotz und das wir uns wehren müssen mit in den Berufsstart genommen. Es ist für mich die Phase „Fordernder Idealist“. Man möchte: Mitgestalten. Keine Ungerechtigkeiten (mehr) erdulden müssen. Die Umgebung verändern. Man holt sich: Blutige Nasen. Schlechte Arbeitszeugnisse. Genervte Kollegen. Man kämpft und hinterfragt. Zu Beginn viel und dann immer weniger.

Und irgendwann, still, leise und heimlich, schleicht er sich daher … der „akzeptierende Konformist“. Man beginnt sich einzurichten. Passt sich seiner Umgebung an. Fast wie ein Chamäleon. Versucht nicht aufzufallen. Ich erinnere mich noch als ich mich einst in einem Schaufenster spiegelte: Ich sah eine Frau, dunkles Kostüm, Pagenkopf, schwarze Lacktasche. Eine gut verdienende Bankerin auf dem Weg nach Hause. Oder zum angesagten Schickimicki- Italiener um die Ecke. Langweilig, auch ein bißchen traurig schaute mein Spiegelbild mich an. Es kam gerade vom Friseur, wo es für die leicht nach innen gedrehten glatten Haare und Spitzen schneiden 80 DM liegen lassen hatte. Das Spiegelbild rief mir zu: „BITTE HOL MICH HIER RAUS!“. Am nächsten Tag ließ ich mir die Haare kurz schneiden, kündigte den sicheren Job, sehr zum Entsetzen vieler (denn einen sicheren Job verlässt man nicht … niemals und Daimler schon zweimal nicht). Es war mir wurscht. Ich wollte mich wieder spüren.

Meine neue Umgebung gab mir wieder Luft zum Atmen. Sie stellte mir tolle, inspirierende Menschen an die Seite. Wir rockten die Projekte. Spannende Projekte. Das Internet war jung und noch unverdorben. Ich durfte vieles mitgestalten, habe Prozesse mit angestoßen, jüngere Kollegen geführt und gecoacht. Doch war er immer da, der Wunsch nach noch mehr. Wenn es spannende Positionen gab, schrie ich „Ich, ich, ich …“ (fingerschnipsend laut rufend auf mich aufmerksam machend – NICHT).  Und wurde nicht gesehen. Niemals. Oftmals gingen die Positionen an externe oder jüngere Kollegen(innen). Die manchmal auch sehr schnell daran scheiterten. Ein beleidigtes „das habe ich ja kommen sehen“ hat mir leider auch nicht geholfen. Ich konnte viel, keiner sah es. Und dann ist er auf einmal da: Der „frustrierte Generalist“. Wann immer jemand kommt und Wissen abruft, hüpft der „frustrierte Generalist“ wie ein kleiner Hund schwanzwedelnd um den Abfragenden herum und versucht an die Wurst zu kommen. Kurze Zeit später sieht man ihn dann aber leider wieder in seinem Körbchen liegen. Traurig darüber, dass der Leckerbissen an einen anderen ging. Und mit der Frustration verliert man alles: die Freude daran mitzugestalten, Ideen einzubringen, die Projekte zu rocken. Man will nicht mehr. Die Freudlosigkeit schleicht sich in all die Schubladen die dich als Persönlichkeit früher ausgemacht haben. So ähnlich wie Schimmel sich ins Brot frißt. Sie zerstört und mampft still und leise immer weiter und weiter und weiter. Viel bleibt am Ende nicht übrig.

Raus nur raus. Und nie wieder in eine dieser früheren Phasen stecken. Seit einem halben Jahr bin ich nun selbständig und bin es gerne. Das was am Ende übrig blieb ist zum Glück wie ein Hermanns-Teig aufgegangen und kann nun wieder geteilt werden. Und ich teile gerne. Mit jedem der es möchte. Immer. Willkommen in der Phase des „wiedererweckten Idealisten“. Es ist so als ob der Kreislauf sich schließt. Ich darf jetzt auch wieder trotzig sein. Ich muss nicht, wenn ich nicht mag. Kleine Kompromisse die man vielleicht ab und zu eingehen muss, bezahlt man sich mit anderen schönen Dingen zurück, wie bspw. einen Vormittag an einem solchen Text zu sitzen. Das ist phantastisch bombastisch und erfüllt mich mit tiefer Zufriedenheit.

So schnell können Dinge reifen und wachsen, wenn der Nährboden da ist und du die Lust und die Freiheit hast dich auf Dinge einzulassen. Ich fühle mich durch das Workshop-und Sommerfest Wochenende von eigenstimmig.de so reich beschenkt. Ich werde noch sehr lange davon haben.

Und ich freue mich darauf es zu teilen. Wann immer sich die Gelegenheit dazu ergibt. Erkennt ihr euch in einer Phase wieder? Teilt ihr eure Gedanken dazu mit mir?

 Es grüßt euch in tiefer Verbundenheit

 Gabriele

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