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AutorenbildGabriele Schobess

Der Schachspieler

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Hat jemand von euch den Film „Zeit der Kannibalen“ gesehen? Ein Kammerstück erster Klasse über Unternehmensberater und ihre skrupellose Art Business zu betreiben? Die sich gegenseitig ausstechen und niederknüppeln und dabei doch nur an ihren eigenen Schwächen zugrunde gehen?


Ich liebe diesen Film, da er die Menschen dahinter zeigt, schwächer wie den vermeintlich Schwächsten, die von ihnen verhöhnt, erniedrigt und ausbeutet werden. Und es gefällt mir auch, dass der Film NICHT gut ausgeht. Für sie. Die Peiniger. Das mag jetzt ja auch kein netter Zug von mir sein, aber ich erinnere mich noch an die leise Genugtuung die ich empfand, als ich das Ende des Filmes sah. Damals leckte ich gerade noch an meinen offenen Wunden.


Wie oft habt ihr schon erlebt, dass Menschen an ihren Aufgaben zerbrechen, oder daran wie mit ihnen umgegangen wird? Bestenfalls nimmt sie ihre Seele aus dem Zustand in dem sie sich befinden heraus, schlimmstenfalls endet es mit dem Tod. Ich habe das schon erlebt, einmal mit einem Projektleiter. Wir verabschiedeten uns noch ins Wochenende und montags darauf kam er nicht wieder. Ich denke oft an ihn, vor allem dann, wenn ich auf der Autobahn dort vorbeifahre, wo er begraben liegt. Er war ein freundlicher Mensch, aber stets gehetzt, seine Hände immer feucht, das Gesicht fahl. Er hatte zwei kleine Kinder.


Auch meine Seele hat sich eine Auszeit genommen, als gar nichts mehr ging und die Attacken meines damaligen Vorgesetzten in die nächste Runde gingen. Nachdem mir gedroht wurde ich würde angezeigt werden, wenn ich noch einmal das Wort mit dem großen M und den zwei niedlichen B in der Mitte benutzen würde. Das war mein Point of exit. Beziehungsweise der Tag, an dem meine Seele ausstieg.


Ich sage heute: Zum Glück. Muss ich jetzt noch erwähnen, dass "er" nach dem Gespräch pfeifend an meinem Büro vorbeilief?


Während der Zeit, als klar war das ich nicht mehr erwünscht bin, hat mein Mann mich unterstützt und getragen. Er hat die Nächte mit mir durchdiskutiert und gemeinsam mit mir Taktiken und Strategien ausgearbeitet. Nichts hat geholfen. Am Ende blieb nur noch Ratlosigkeit, Trauer und Wut über das, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen. Ja, es ist nur irgendein Job und ja, klar, professionelle Distanz: so wichtig. Aber es füllt nun mal fast deinen ganzen Tag und durchschnittlich 250 Tage im Jahr aus. Netto ohne Urlaub. Und wer weiß, hätte man mir gleich ein großzügiges Angebot gemacht, vielleicht hätten wir gar nicht durchgemusst. Durch das.


Nichts ist mehr übrig von dir, wenn ein anderer Mensch dich in (d)einer Abteilung ins Abseits drängt. Du stehst plötzlich alleine da und fühlst dich falsch, falsch in allem was dein bisheriges Berufsleben ausgemacht hat. Du bist im falschen Film.


Kollegen schleichen auf einmal an dir vorbei, hoffend das du sie nicht bemerkst, verlassen abends ohne Abschied das Büro. Andere ignorieren deine Anrufe. Du weißt sie sind da, hörst ihre Stimmen, gehen aber nicht ans Telefon. Es ruft ja „Niemand“ an. Du bist ein Nichts, du kannst nichts und deine Fehler häufen sich.


Du stellst dich, deine Persönlichkeit und dein bisheriges Leben immer mehr in Frage. Du verstehst nicht warum und suchst den Fehler den du gemacht hast. Der Kloß im Herz und im Hals wird immer größer und es scheint fast so als ob du langsam daran ersticken wirst. Und du weißt, es gibt da jemand in deiner Nähe, der sich genau das erhofft und wünscht.


Schachzug für Schachzug zog „er“ nach jeder neuen Attacke eine neue Figur aus dem Ärmel und platzierte diese auf dem Spielfeld. Das er dieses Spiel perfekt beherrscht und ich nicht sein erster Gegner in diesem Spiel war, begriff ich erst spät, zu spät, viel zu spät.


Ich frage mich manchmal, wie ich reagiere, wenn ich ihm plötzlich gegenüberstehe. Vielleicht bedanke ich mich bei ihm. Freundlich lächelnd. Reiche ihm die Hand. Danke ihm dafür, dass er mir gezeigt hat, dass seine Welt da draußen anders ist, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung und mit bestimmten Strukturen kein (Lebens)-Umfeld für mich sind und er recht damit hatte.


Das er mich davon befreit hat jemals wieder den Wunsch zu haben in einem solchen zu Arbeiten. Das man dort nicht wachsen kann. Also ich nicht. Ich bedaure ihn dann vielleicht noch ein bißchen, daß er so ein schwacher Mensch ist und solche Spiele nötig hat. Anscheinend.


Und ganz zum Schluß frage ich ihn, ob er vielleicht manchmal denkt, das möglicherweise das Ende seines Filmes auch anders als geplant verläuft?


Lange habe ich gebraucht um wieder bei mir anzukommen. Das ich diejenige bin, die Unternehmen weiterbringen kann. Das Menschen gerne mit mir zusammenarbeiten. Nicht alle, klar, aber ein paar sind schon dabei. Wieder wachsen zu dürfen und vor allem zu können. Selbst darüber zu entscheiden.

Es fühlt sich gut an.

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