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AutorenbildGabriele Schobess

Einhörner, was wollt ihr hier?

Aktualisiert: vor 2 Tagen

Ach war das lustig heute. Oder nein, auch nicht. Eigentlich überhaupt nicht.

Kurz mit einer Kollegin, fast gleicher Jahrgang, ähnlicher Werdegang über die neue Spezies unterhalten, die anscheinend gar nicht wissen, welche Chancen und Möglichkeiten sie haben. Meine Kollegin hat heute fast dieselbe Formulierung verwendet, die auch ich vor kurzem – ich weiß gar nicht mehr in welchem Gespräch nutzte: Die jungen wissen gar nicht mehr, für was wir kämpfen mussten und woran wir scheiterten oder wuchsen, dass jeweils abwechselnd und zum Haare raufen. Hier spricht die Generation X.


Da gibt es die Generation X, die Generation Y und da gibt es zukünftig die neue Generation Einhorn eigentlich die so genannte Generation Z. Die mag es besonders gerne mit Glitzer, regenbogenfarben und mit ge-genderten Accessoires. Unterstützt werden sie dabei abwechselnd von der Generation X oder Y, in wechselnden Rollen, als Eltern oder als Großeltern oder einfach auch nur aus ihrer Peergroup. Leider stehen die Regenbogenfarben hier nicht für eine politische Meinung und leider stehen sie auch nicht für eine weltoffene und nach vorne gerichtete Gesellschaft, sondern sie stehen für eine Reduktion von weiblichen Wesen auf ihre Niedlichkeit und auf ihr Aussehen und die Jungs dürfen schon auch mal wild sein, aber bitte nicht weinen. Oder doch, ein bißchen schon.


Es ist wieder on vogue ganz besonders weiblich zu sein, ganz in der Rosa-Rolle aufzugehen und so viele Eltern machen begeistert dabei mit. Teilweise bereits mit „Mädchen“-Partys, rosafarben overloaded, bevor das Kind überhaupt geboren ist. Und dann: Ach sieht sie nicht süß aus mit ihrem rosafarbenen Tutu und ihren rosanen Ballerinas, und das Baby fast ohne Haare braucht unbedingt eine rosane Glitzerspange in den 3-4 vorhandenen dünnen Häärchen. Es könnte ja - OH MEIN GOTT - für einen Jungen gehalten werden. Es ist sooo niedlich. Nicht. Und da passt jetzt doch eigentlich ganz gut der Spruch von meiner Freundin Sabine (die Superfrau vom Bauernhof): „Einem ungeborenen Kälble kauft man keinen Strick“. Ist es nicht ein Strick, wenn ich mein Kind bevor es die Chance hatte eine Persönlichkeit zu entwickeln auf einen – nicht einmal schönen – Farbton reduziere? Egal ob rosa oder hellblau.

Mir persönlich bereitet das echte Kopfschmerzen und ich frage mich, ab wann die Eltern damit beginnen wollen ihre Prinzessinnen auf das da draußen vorzubereiten?


Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir Frauen müssen nicht in Hosen durch die Gegend laufen wie ein waschechter Kerl. Auch ich habe echt schöne Kleider im Schrank hängen, die ich gelegentlich auch ganz gerne trage. Jedoch die Selbstverständlichkeit Hosen tragen zu dürfen als Frau, die gab es nicht immer. Wußtet ihr, dass in Paris im Jahre 2013 das „Hosenverbotsgesetz“ für Frauen aufgehoben wurde? 2013! Nach diesem Gesetz aus dem Jahre 1799 war es nur Frauen mit einem Fahrrad oder einem Pferd erlaubt Hosen zu tragen. Wer jetzt glaubt ich spinne, frage bitte Google oder schau in der Linkliste am Ende des Textes.


Die Eltern. Gut ausgebildet, aber auch gerne noch Kind oder zumindest noch jugendlich erscheinend, wenn schon kein Kind mehr, dann doch bitte ein Erwachsener, der mit Kinder noch voll. Cool. Kann. Auf Augenhöhe und so. Hierarchien verschwimmen, Familien werden zu Patchworks. Untrennbare Paare trennen sich. Doch. Schnell und kompromisslos. Nächstes WE sind die Kinder übrigens bei dir?


Vielleicht benötigen wir Menschen wieder Reduktion auf das einfache? Der Prinz und die Prinzessin und so? Die Soap-Oper, die mich aus meinem stressigen Leben abholt und mitten drin platziere ich mich und mein Kind?


Welche Werte geben wir euch mit? Auf euren Wegen? Beständigkeit, Verlässlichkeit oder „In meiner Welt pupsen Ponys Schmetterlinge“?


Wir schwanken zwischen laktosefreier Milch, veganem Leben und allgemeiner Balance an grünem Fußabdruck, Vereinbarkeitsblabla und bösartig gesprochen "eitler Selbstverwirklichung" - oder will ich doch einfach egoistisch nur Leben bis der Planet platzt?

Aber was vermitteln wir dann wirklich? Ich meine vom Herzen her? Und da wir hier eine Lücke haben, werden auch in dieser ach so aufgeklärten Welt Kinder und Jugendliche orientierungslos durch die Gegend taumeln, bspw. wenn sie entdecken das es keine Einhörner gibt oder noch viel schlimmer: Prinzessin gar kein Beruf ist und der doofe Prinz die liebliche Prinzessin mit dem Thronfolger einfach sitzen lässt. Den Schlüssel zur Schatzkammer hat er leider mitgenommen.


Auch wir werden nicht in der Lage sein das einfachste zu vermitteln. Da unterscheiden wir uns nicht von unseren in der Nachkriegszeit geprägten Eltern, die garantiert keine Experten in freiheitsorientierter Erziehung waren. Und dann kamen die 60-er und die 70-er und die Jugend fing an sich zu wehren. Ihrem Kampf und ihrem Bestreben nach Freiheit, Aufklärung und Gleichberechtigung verdanke ich alles. Aber es ist noch nicht genug gekämpft. Da muss ich nur in die Führungsetagen schauen.


Die Generation Z ist noch nicht klar umrissen, aber ich nenne sie von nun an Generation Einhorn. Als mein Sohn 2003 auf die Welt kam, gab es noch EINE Sorte an Überraschungseiern und es gab Kinderketchup – einen für alle. Aber keine Piraten-Prinzessinnen-Einhorn-Ketchup-Dumpatz-Varianten mit Glitzer. Oder war ich einfach nicht empfänglich dafür? Hatte ich bisher einen Einhorn-Seh-Fehler? Gibt es Einhorn-Blindheit? Irgendwann, vor einigen Jahren, fing es dann an, dass alles nur noch in rosa und hellblau verfügbar war.


Meine Nichte ist schwanger. Sie weiß, dass es ein Mädchen wird. Mein Sohn hat ein Buch aussortiert, da er inzwischen zu alt dafür ist. Es ist rosa und trägt den Titel die „Piratenprinzessin“. Ich legte es beiseite um es meiner Nichte zu geben (neben anderen undgegenderten Büchern). Meine Mutter (84) meinte: das ist doch nichts für sie. Da kommt das Wort „Pirat“ darin vor und das interessiert Mädchen doch nicht. Nun war das meine über 80-jährige Mutter – und mit ihr habe ich auch schon über solch ähnliche Themen heiß diskutiert. Aber ich sehe, höre und bekomme dieses Mind-Set so oft mit! Twitter, Facebook, etc. sind voll davon. Kennt ihr das Video von dem Mädchen das sich beschwert das auf Mädchen-T-Shirts nur nur steht „How cute“ und bei Jungs „Be wild“ steht? Ich suche es und verlinke es am Ende.


Erinnert eure Töchter und Söhne daran, dass Gleichberechtigung selbstverständlich sein sollte und weiter vorangetrieben werden muss. Und das vieles nicht immer schon selbstverständlich war. Das eure Urgroßmütter/ Großmütter bis 1918 dafür kämpfen mussten wählen zu dürfen. Das Frauen in Deutschland seit 1977 nicht mehr ihren Ehemann um Erlaubnis fragen müssen einen Beruf ausüben zu dürfen. Hey! Nächstes Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland! Wann und wo feiern wir das?


Und da möchte ich kurz die Erinnerung an meine Großmutter einflechten. 1900 geboren, durfte sie dann wohl mit 18 wählen. Sie hat 3 Söhne großgezogen, Zahnmedizin studiert und sich und ihre Kinder durch den Krieg jongliert. In einer Geschichte erzählte eine Verwandte, wie meine Großmutter mit einem roten Hut auf dem Kopf den Hörsaal in München betrat und alle sich nach ihr umwandten. Sie war eine starke, taffe Frau und ich wünschte mir, ich hätte mich mehr mit ihr ausgetauscht.


Gebt euren Kindern mit, dass ihnen alle Wege und Möglichkeiten offenstehen, dass man aber trotzdem an seinen Träumen und Zielen festhalten und dafür kämpfen muss. Das man für einander einstehen muss. Und erinnert sie immer wieder daran, dass keine Freiheit die man im Leben hat selbstverständlich ist und dass diese dann aber sinnvoll genutzt werden möchte, die Freiheit. Sonst geht sie nämlich ein. Die Welt und die Menschen bestehen aus vielen Farben. Nicht nur aus rosa und hellblau.


Mein Sohn: Lebe. Liebe. Nachhaltig. Bitte tu es immer mit gutem und offenen Herzen. Verbiege dich nicht. Sei offen für alles und für jeden. Immer. Finde deinen Weg. Lerne. Alles was dir gefällt und was dich interessiert. Wir unterstützen dich dabei.

Ich fange an Einhörner und den ganzen damit verbundenen Scheiß zu hassen. Einhörner, bitte verschwindet wieder und nehmt den ganzen Prinzessinen-Kram mit. Er bereitet meinen Sohn und noch viel mehr eure Töchter nicht darauf vor, was da draußen wirklich auf sie wartet. Es wird kein Spaß. Glaubt mir.


Es grüßt euch

Gabriele

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